Kultur

Hedy Lamarr: Schönste Frau der Welt und abgestürzte Diva

Todestag jährt sich zum 21. Mal

Hedy Lamarr, 1944
(Quelle: public domain)
GDN - Vor 21 Jahren starb die österreichische Schauspielerin Hedy Lamarr. Als junge Frau flüchtete sie in die USA, wurde dort zum größten weiblichen Filmstar ihrer Zeit, galt als “schönste Frau der Welt“, machte eine zukunftsweisende Erfindung, brach Tabus, stürzte tief und starb weitestgehend vergessen.
Hedys Geburtshaus in Wien/Döbling
Quelle: Mario Graß
Am 9.11.1914, kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges, erblickte Hedwig Eva Maria Kiesler, die schon bald den Spitznamen Hedy erhielt, das Licht der Welt. Geboren und aufgewachsen ist das einzige Kind ihrer Eltern Gertrud und Emil in einem wohlhabenden und kultursinnigen Umfeld im Wiener Bezirk Döbling. Ihre Mutter war eine talentierte Pianistin und ihrem Vater war es in den vergangenen Jahren gelungen zum Bankdirektor aufzusteigen. Hedy lebte, umsorgt von ihren Eltern und deren Hausangestellten, wie eine Prinzessin in ihrem hellen, mit zahlreichen Puppen ausgestatteten Kinderzimmer.
Trotz ihres familiären Hintergrunds und ihrer erkennbaren Intelligenz zeigte Hedy für die Lerninhalte in der Schule wenig Interesse, denn dieses galt schon im frühen Teenageralter dem Theater, der angesagten Mode sowie ihrer Sexualität, die sie bereits in jungen Jahren ausgiebig auslebte. Für Hedy stand fest, dass sie Schauspielerin werden wollte. Berlin galt damals als das Zentrum der Theaterszene, die maßgeblich durch einen Mann verkörpert wurde: Max Reinhardt. Für Hedy, die zeit ihres Lebens danach trachtete, Umwege zu vermeiden, bestand kein Zweifel: Sie musste nach Berlin und den einflussreichen Theatermacher kennenlernen.
Es gelang Hedy tatsächlich ihn zu treffen und erste Rollen in seinen Stücken zu erlangen. Vor einer Theaterpremiere im Januar 1932 verkündete Reinhardt vollmundig der Presse: “Hedy Kiesler ist die schönste Frau der Welt!“ Dieser Satz bescherte der aufstrebenden Schauspielerin erstmals die Aufmerksamkeit des Publikums und der Medien.
Schon bald erhielt sie ihre erste Kinohauptrolle und trat neben Heinz Rühmann und Hans Moser in der Komödie “Man braucht kein Geld“ auf.
Hedys legendärer Kinomoment sollte ein Jahr später folgen. Bereits das Filmplakat ihres Films “Ekstase“ zeigt sie als erotische Verführerin. In einer der Schlüsselszenen ruft Hedy ihrem davongaloppierenden Pferd, das mit ihrem Kleid, das sie zuvor für ein erfrischendes Bad im See abgestreift hatte, hinterher. Verzweifelt flüchtet die nackte Frau ins Unterholz, wo sie von einem attraktiven Kavalier, der lächelnd ihren makellosen Körper mustert, entdeckt wird. Noch brisanter als die Nacktszene am Badesee war der Moment, als Hedys Gesicht in Großaufnahme gezeigt wird, während sie bei offenkundigem Oralsex zum Orgasmus kommt. Das war noch nie auf einer Kinoleinwand zu sehen gewesen und löste eine weltweite Welle der Empörung aus.
Auf ungeteiltes Lob stieß ihre Verkörperung von Kaiserin Elisabeth am Theater an der Wien, wo ein wohlhabender Industrieller auf sie aufmerksam wurde und eines Abends mit einem Blumenstrauß in der Hand vor ihr stand. Ihr Verehrer war der Rüstungsindustrielle und drittreichste Mann Österreichs Fritz Mandl, den sie am 10. August 1933 in der Wiener Karlskirche heiratete.
Doch ihr Ehemann erwies sich als krankhaft eifersüchtig, untersagte Hedy die Schauspielerei, sperrte sie in seiner Abwesenheit regelrecht ein und überließ einigen treuen Dienern, deren vornehmliche Aufgabe darin bestand, Hedy zu beaufsichtigen, die Hausschlüssel. Wie in einem goldenen Käfig verbrachte sie ihre Tage in der riesigen Wohnung am Wiener Schwarzenbergplatz.
Hedy fühlte sich ihrer Freiheit beraubt und plante ihre Flucht. Verkleidet als Hausmädchen kletterte sie aus dem Fenster der Wohnung, wurde von einem eingeweihten Fluchthelfer erwartet, der sie zum Bahnhof brachte, wo sie den Zug Richtung Paris bestieg. Als sie erfuhr, dass ihr wütender Ehemann bereits in Richtung der französischen Hauptstadt unterwegs war, um sie zurückzuholen, nahm sie kurzentschlossen ein Taxi nach Calais und setzt per Fähre nach England über, was eine kluge Wahl war, da die politische Lage in Europa es für den Rüstungsmagnaten Mandl unmöglich machte, nach England einzureisen. Er gab auf und willigte kurz darauf in die Scheidung ein.
In London traf Hedy den US-amerikanischen Filmproduzenten Louis B. Mayer (1884-1957), der ihr einen Vertrag über 125 Dollar pro Woche anbot, was sie überzogen selbstbewusst mit dem Hinweis, sie sei bereits ein Star, entrüstet ablehnte, um nur wenig später ihre Entscheidung zu bereuen. Mayer hatte im Verlaufe des Gesprächs erwähnt, am folgenden Tag mit dem Ozeandampfer “Normandie“ seine Rückreise in die USA anzutreten. Wie gewohnt erkannte und ergriff Hedy ihre Chance. Kurzentschlossen erwarb sie eine Fahrkarte und reiste an Bord der “Normandie“ ins Ungewisse. Während der Überfahrt wurde sich Mayer der hinreißenden Wirkung Hedys bewusst und bot ihr einen Vertrag über 550 Dollar pro Woche an, was diese akzeptierte.
Clark Gable und Hedy Lamarr in “Comrade X“, 1940
Mayers war der Auffassung, ein international klingender Name wäre für Hedys Karriere zuträglich und verlieh ihr, vermutlich in Anlehnung an die verstorbene Schauspielerin Barbara La Marr (1896 - 1926), den Künstlernamen “Lamarr“. Hedys erster Hollywoodfilm “Algiers“ (1938) wurde ein sensationeller Erfolg und erschuf die Stilikone “Hedy Lamarr“. Das Publikum und die Kritiker zeigten sich begeistert von ihrer eleganten, selbstbewussten und unnahbaren Erscheinung, die sie über Nacht zur berühmtesten Schauspielerin der Welt machte.
Kurz darauf heiratete sie den 20 Jahre älteren Gene Markey (1895-1980), einen amerikanischen Autor, Filmproduzent, Drehbuchautor und hochdekoriertem Marineoffizier. Doch das Eheglück währte nicht lange. “Die Zeremonie dauerte 6 Minuten. Die Ehe ungefähr genauso lange“, erinnert sie sich. In der Tat wurde die Ehe bereits 1940 geschieden.
Beruflich feierte Hedy weiterhin große Erfolge und drehte mit Hollywoodlegenden wie Spencer Tracy, Clark Gable, Lana Turner, James Stewart und Judy Garland.
In den Klatschspalten der Zeitungen und Magazine entwickelten sich Hedys regelmäßige Affären zum Dauerthema. Neben vielen anderen sollen sich David Niven, Douglas Fairbanks, Erich Maria Remarque, Clark Gable, Man Ray und Charlie Chaplin unter ihren Liebhabern befunden haben. Der Unternehmer und Filmproduzent Howard Hughes, laut Hedy “der schlechteste Liebhaber, den ich je hatte“, war derart betört, dass er sich eine Sexpuppe nach Hedys Ebenbild anfertigen lassen wollte. Hedy Lamarr genoss es, Männer zu verführen und verkündete selbstsicher: “Kein Mann hat je nein zu mir gesagt.“
Während des Zweiten Weltkriegs befand sich Hedy Lamarrs Hollywood-Karriere auf ihrem Zenit, doch sie “wollte nicht einfach nur dasitzen und viel Geld verdienen, wenn die Welt in so einem Zustand ist“, erinnerte sich der exzentrische und mit Hedy befreundete Komponist George Antheil.
Mit ihm gemeinsam erfand die hochintelligente Frau ein Verfahren, mit dem ein Torpedo mittels ständiger Frequenzwechsel ferngesteuert werden konnte, ohne dass es dem Kriegsgegner möglich war, die Funkverbindung zu lokalisieren und zu stören. Am 10. Juni 1941 meldeten Lamarr und Antheil ihr “Secret Communication System“ in den USA erfolgreich zum Patent an.
Obwohl die beiden ihre Erfindung dem Militär kostenlos zur Verfügung stellten, fand diese zunächst wenig Beachtung und kam während des Zweiten Weltkriegs nicht zum Einsatz. Doch mit dem Frequenzsprungverfahren wiesen die ungewöhnlichen Erfinder unbewusst den Weg in die Zukunft, denn die heutigen gebräuchlichen Digitaltechniken wie GPS, WLAN oder Bluetooth wären ohne das vom Lamarr und Antheil erdachte Prinzip undenkbar, da die Frequenzsprünge es unzähligen Benutzern ermöglichen, in drahtlosen Kommunikationssystemen zeitgleich weitestgehend störungsfrei miteinander zu kommunizieren.

Hedy engagierte sich weiterhin politisch und tourte während des Zweiten Weltkrieges durch amerikanische Städte, um Geld für Kriegsanleihen zu sammeln. Sie hielt flammende Reden vor bis zu 20.000 Menschen, servierte ihren Fans Mahlzeiten, unterhielt Militärs, schrieb bereitwillig Autogramme, ließ sich mit Soldaten fotografieren und erhielt sagenhafte Spenden in Höhe von 25 Millionen US-Dollar.
1943 heiratete Hedy ihren Schauspielkollegen John Loder (1898 - 1988). Zwei Jahre später wurde die gemeinsame Tochter Denise geboren, auf die 1947 Sohn Anthony sowie die Scheidung folgten.
Wenngleich Hedys Filme in den 1950er-Jahre zumeist auf negative Kritiken stießen, hatte sie finanziell ausgesorgt. Doch sie wollte sich nicht auf den errungenen Lorbeeren ausruhen, sondern weiterhin eigene Ideen realisieren. Ihr schwebte ein Episodenfilm über drei historische Frauenfiguren - Helena, die Tochter des Zeus, Kaiserin Josephine, die Ehefrau Napoleons sowie die Sagengestalt Genoveva von Brabant - vor. Sie wollte alle drei zentralen Figuren verkörpern und den Film erstmals selbst produzieren.
Die Dreharbeiten fanden in Europa, wo sich Hedy schon bald mit sämtlichen an den Filmarbeiten Beteiligten zerstritt, statt. Das Resultat gilt als der Tiefpunkt ihrer Karriere. Der Film wirkte amateurhaft, erhielt vernichtende Kritiken und entwickelte sich zu einem finanziellen sowie künstlerischen Desaster.
Am 28. Januar 1966 trat Hedy erneut in das Bewusstsein der Öffentlichkeit, als die New York Times mit der Schlagzeile “Hedy Lamarr wegen Ladendiebstahls hinter Gittern“ aufmachte. Am Vorabend war sie in einem Drugstore von einer Ladendetektivin auf frischer Tat ertappt worden, als sie Waren im Gesamtwert von 86 Dollar gestohlen hatte.
Bereits zwei Tage zuvor hatte sie ein Verkehrspolizist angehalten, der aufgrund ihres eigentümlichen Fahrstils Alkoholeinfluss vermutete, wobei Hedy mutmaßlich vielmehr aufgrund von Psychopharmaka in ihrem Bewusstsein beeinträchtigt war. Auch wenn die Anklage wegen Geringfügigkeit fallengelassen wurde, sank ihr Ansehen erheblich. Sie war wegen Ladendiebstahls verhaftet worden, gab wirre Interviews, die an ihrem Geisteszustand ernsthafte Zweifeln aufkommen ließen und die ersten von Schönheits-OPs hinterlassenen Spuren waren unübersehbar.
Ihr beruflicher Tiefpunkt sollte mit dem Erscheinen der mit “Ekstase und ich“ betitelten Biografie jedoch erst noch folgen. Zwar erwies sich das Buch als Verkaufsschlager, doch zerstörte es zugleich Hedys ohnehin ramponiertes Image unumkehrbar. Das Buch enthält detaillierte Schilderungen ihres Sexuallebens und beschreibt eingehend Sex mit mehreren Männern, mit Männern und Frauen, im Freien, in Umkleidekabinen, mit Fesseln und vieles mehr, was im prüden Amerika zutiefst schockierte, Hedy im konservativen Hollywood untragbar machte und ihre Filmkarriere somit unwiederbringlich beendete.

1967 verließ Hedy Hollywood und zog nach New York City, wo sie zurückgezogen lebte, kaum noch ihre Wohnung verließ, die Vorhänge auch tagsüber zugezogen behielt und laut der Aussage ihres Sohnes “zunehmend paranoid“ wurde.
Hedy hatte in den vergangenen Jahren ein von Außenwirkung, Imagepflege, Verführungskunst, Privilegien und Realitätsferne geprägtes Leben geführt, das nun wie ein Kartenhaus in sich zusammenzufallen schien, was auch an ihrem Äußeren erkennbar wurde. Mitunter missglückten ihre zahlreichen Schönheitsoperationen, sodass manche Eingriffe vorrangig dazu dienten, vorangegangene Operationsresultate zu kaschieren. “Schönheit war zunächst ihr Kapital, dann ihr Fluch“, resümiert ihr Sohn.
Grab von Hedy Lamarr
Quelle: Mario Graß
1991 zog Hedy in einen tristen Wohnblock im sonnigen Florida, wo sie von einer überschaubaren Rente, die mithilfe staatlicher Sozialleistungen aufgebessert wurde, lebte. Dort wurde sie am 19.01.2000 bei laufendem Fernseher sorgfältig geschminkt, parfümiert und geschmackvoll gekleidet leblos in ihrem Bett vorgefunden. Nach jahrelangen Verhandlungen mit ihrer Geburtsstadt Wien erhielt Hedy ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof, wo ein Gebilde aus Stahlstangen, das sowohl an Hedys Gesicht als auch an ihre Erfindung des Frequenzsprungverfahrens erinnert, über ihrer Urne installiert wurde.
Als 22-Jährige ist sie auf der Suche nach Freiheit, Liebe und einem intensiven Leben in die USA geflüchtet. Während sie fraglos ein intensives Leben geführt hat, war ihr dauerhaftes privates Glück nicht vergönnt und ihre letzte Lebensphase schien von Sucht und Einsamkeit geprägt.
Hedy beschrieb sich selbst als “einfach komplizierte Person“, was ihr Sohn Anthony bestätigte. Seine Mutter habe genauso “Peitsche wie Rose“ sein können. Das große Glück sei ihr aber versagt geblieben und trotz ihrer Berühmtheit sei sie oft allein gewesen: “Sie hatte viel Stress, Hedy Lamarr zu sein.“

weitere Informationen: https://blog.mariograss.de/unterwegs-in-wien-hedylamarr/

Für den Artikel ist der Verfasser verantwortlich, dem auch das Urheberrecht obliegt. Redaktionelle Inhalte von GDN können auf anderen Webseiten zitiert werden, wenn das Zitat maximal 5% des Gesamt-Textes ausmacht, als solches gekennzeichnet ist und die Quelle benannt (verlinkt) wird.