Kultur

Ein intensives und atmosphärisches Bühnenstück im Staatstheater Kassel

“Eine Hotelbar in Tokyo“


(Quelle: N.Klinger)
GDN - Am vergangenen Freitag feierte das wenig bekannte Stück “Eine Hotelbar in Tokyo“ von Tennessee Williams Premiere im Kasseler Staatstheater (tif). Das Publikum erlebte ein atmosphärisches Kammerspiel, mit überzeugenden Darstellern, das zu Recht viel Applaus erhielt.
In einer schönen Eröffnungsszene schiebt Hauptdarstellerin Eva Maria Sommersberg den transparenten Vorhang zu Seite, womit der Blick auf den Ort des Geschehens freigegeben wird: eine Hotelbar in Tokyo.
Ein wundervoller Ort für ein Theaterstück, denn Bars sind “intim, aber öffentlich“, wie Regisseur Sebastian Schug sagt. Und so wird der Zuschauer, ganz so als hätte er selbst des Nachts in dieser düsteren, verrauchten Bar Platz genommen, zum Voyeur, zum stummen Zeugen, eines aufwühlenden Dramas.
Quelle: N.Klinger
Während ihr Ehemann Mark (Bernd Hölscher) - ein Künstler - in seinem Hotelzimmer geradezu besessen an einem Bild arbeitet, hat sich Miriam (Eva Maria Sommersberg) in jener Hotelbar, an einem der Tische, niedergelassen. Bei einem Drink schmiedet sie Pläne. Sie will etwas erleben, das fremde asiatische Land entdecken und den Barkeeper verführen. Ihren Mann hält sie für verrückt und will ihn in ärztlicher Behandlung sehen. “Ich bin mit dem Wahnsinn verheiratet! Ich brauche etwas Abstand zwischen mir und einem Mann, der im Dunkeln wütet!“ Als Mark die Hotelbar betritt wird in der Tat deutlich, dass er sich am Rande der völligen Erschöpfung - physisch, wie psychisch - befindet.
Quelle: N.Klinger
Mit dem Verlassen seines Hotelzimmers und dem Betreten der Bar, versucht Mark wieder in das Leben seiner Frau einzutreten. Doch die beiden scheinen sich mittlerweile viel zu weit voneinander entfernt zu haben. Der introvertierte Künstler, der sein Zimmer kaum noch verlässt, und die lebensfrohe Dame, die etwas erleben möchte, finden nicht mehr zueinander. Miriam möchte aktiv sein, Vitalität spüren, während Mark förmlich dem Tode entgegentaumelt.
Quelle: N.Klinger
Das Zusammentreffen von Gegensätzen zieht sich als ein zentrales Thema durch das gesamte Stück. Östliche und westliche Kultur prallen, im Zusammenspiel von Miriam und dem japanischen Barkeeper, aufeinander. In der japanischen Kultur gehe es “um das SEIN, während die Amerikaner immer WERDEN müssen“, so Sebastian Schug. In der Tat - Miriam wirkt gehetzt. Sie schmiedet Pläne. Eine Pagode schaue sie sich höchstens fünf Minuten an, um dann weiter zu gehen. Der Barmann ist hingegen ganz im Hier und Jetzt verwurzelt. Er steht stoisch hinter der Theke, weil er dort - laut Anweisung - zu stehen habe und erledigt der Reihe nach seine Aufgaben - gewissenhaft und konzentriert.
Quelle: N,Klinger
Regisseur Sebastian Schug hat dieses kaum gespielte Stück von Tennessee Williams entdeckt und für das Staatstheater Kassel inszeniert. Entstanden ist ein atmosphärisches Kammerspiel, mit einem ansprechenden, realistischen Bühnenbild von Christian Kiehl, großartigen musikalischen Ideen von Johannes Winde und durchweg überzeugenden Darstellern. Herauszustellen ist hier Bernd Hölscher, der den gebrochenen Mark mit einer ungeheuren Intensität verkörpert. Seine Bühnenpräsenz beeindruckt vom ersten Moment an
Nach der Vorstellung hatte ich die Gelegenheit mich mit Bernd Hölscher über dessen Rolle auszutauschen. Er berichtete mir, dass er bereits im Verlaufe des Nachmittages damit beginnt, sich gedanklich auf die Rolle vorzubereiten. Ganz wichtig seien dann für ihn das Anziehen des Kostümes und die Maske. “Der Moment ist für mich wichtig, auch um für mich selbst klarzustellen, dass ich NICHT der Mensch bin, den ich abends spiele.“ Bei der Erarbeitung der Rolle konnte er auch eigene Erfahrungen nutzbar machen, denn “natürlich kann man Schauspielerei und Malerei nicht wirklich vergleichen, aber Momente der Besessenheit oder der Verblendung, der Hybris oder des Scheiterns sind uns ja auch vertraut.“
Quelle: N.Klinger
Sicherlich keine leichte Aufgabe für Eva Maria Sommersberg, die für die Rolle der Miriam vielleicht eine Spur zu jung ist, der Ausstrahlungskraft von Bernd Hölscher etwas entgegenzusetzen und nicht zu verblassen. Doch erfreulicherweise gelingt ihr dieses, mit einer ebenfalls überzeugenden Darstellung. Sie gestaltet die Figur “Miriam“ überaus spannend, zeigt sie als eine aufregende, verführerische Frau, die kühl und dominant erscheint, doch erahnen lässt, dass es hinter der Fassade brodelt. Somit zählen die direkten Schlagabtausche der beiden Hauptdarsteller zu den Höhepunkten des Abends.
Quelle: N.Klinger
Quelle: N.Klinger
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Mit seiner gelungenen, stimmigen Inszenierung bringt Regisseur Sebastian Schug ein intensives und packendes Seelendrama auf die Bühne, das vom Publikum mit starkem Applaus aufgenommen wurde. Karten für weitere Vorstellungen sind an der Kasse des Staatstheaters Kassel (Tel.: 0561/1094-222) oder online unter www.staatstheater-kassel.de erhältlich.

weitere Informationen: https://www.staatstheater-kassel.de

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