Kultur

“Der Impresario von Smyrna“ im Staatstheater Kassel

Kontrakte, Verträge, Hoffnungen?


(Quelle: N.Klinger)
GDN - Mit dem “Impresario von Smyrna“ bringt das Staatstheater Kassel eine Komödie aus dem 18. Jahrhundert auf die Bühne. Trotz des zeitlosen Themas und eines souveränen Ensembles, will der Funke nicht so recht überspringen.
“Ich bin Carluccio und habe die Ehre, mich Ihnen als der vielleicht berühmteste Sänger dieser Zeit vorzustellen.“ In Carlo Goldonis Komödie geht es um Selbstdarstellung und Selbstvermarktung. Nicht nur der Falsettist Carluccio, auch seine singenden Kollegen, treten mit überschäumendem Selbstbewusstsein auf, um ihrer eigentlich misslichen Situation zu entfliehen, denn unter Venedigs Opernsängern herrscht Arbeitslosigkeit und finanzielle Not. Als ein geheimnisvoller Mäzen aus Smyrna auftaucht, um Künstler für seine geplante Oper zu engagieren, keimt Hoffnung auf.
Quelle: N.Klinger
“Habt ihr Kontrakte, Verträge, Hoffnungen?" An Hoffnungen mangelt es den Protagonisten nicht - allein ein unterzeichneter Vertrag steht noch aus. Da jeder auf den vermeintlich lukrativen Job erpicht ist und es am Ende nur eine erste Sängerin geben kann, bricht augenblicklich großer Konkurrenzdruck unter den Akteuren aus, der zu unterschiedlichsten Strategien der Eigenwerbung und Selbstüberhöhung führt. Die Kunst und das tatsächliche Können der Sängerinnen und Sänger, treten dabei zunehmend in den Hintergrund. Kunst verkommt zu einer Ware. Aktuelle Bezüge, etwa zur Kunstszene oder Medienwelt, zum Arbeitsmarkt oder auch zum Internet und den Selbstdarstellungen in sozialen Netzwerken, liegen auf der Hand.
Dem Autor Carlo Goldoni waren die Nöte seiner Figuren durchaus bekannt, denn finanzielle Zwänge haben auch ihn einst bewogen, seine Heimatstadt Venedig zu verlassen. Erst nach seiner Rückkehr gelang es ihm, am dortigen Theater Fuß zu fassen und erfolgreich Stücke zu verfassen und aufzuführen. Doch auch dieser Umstand sorgte nicht für ein angemessenes finanzielles Auskommen, denn Tantiemen waren noch nicht erfunden und eine Pension verweigerte ihm die Stadt Venedig. Erneut zog es Goldoni in die Ferne, dieses mal nach Paris, wo ihm ein lukrativer Vertrag angeboten wurde. In Frankreich blieb der große Erfolg jedoch aus.
Theaterhistorisch ist vorrangig Goldonis Tätigkeit in Venedig von Interesse, denn dort veränderte er das Theater grundlegend. Auf Improvisationen beruhende Lustspiele beherrschten die dortigen Bühnen. Die Schauspieler trugen Masken, mit denen sie die stets gleichen, fest umrissenen Typen, innerhalb einer immer gleichen Rahmenhandlung, darstellten. Was sich dann auf der Bühne entwickelte, erinnerte wohl eher an gegenwärtige Stand-up-Comedy, als an Komödien, wie wir sie heute kennen. Es wurden aus dem Stegreif Witze erzählt, Zoten gerissen und allerlei Albernheiten präsentiert.
Goldoni wagte einen Neuanfang und reformierte das italienische Lustspiel grundlegend. Den Improvisationen wurde ein Ende gesetzt. Stattdessen erklärte er seinen verblüften Schauspielern, dass sie von nun an einen festgelegten Text zu lernen hätten. Auf der Bühne wollte der Autor fortan, statt der überzeichneten Typen, realistische Figuren sehen. Folgerichtig verbannte er die Masken, da diese dem Schauspieler im Wege stünden. “Der Schauspieler soll Seele zeigen, und Seele unter der Maske ist ein Feuer unter der Asche. Dies sind die Gründe, die mich bewegen, auf die Abschaffung der Masken des italienischen Theaters hinzuarbeiten und an die Stelle von Possenspielen wahre Lustspiele zu setzen.“
Goldoni erteilte Gewohnheiten eine Absage und riss Traditionen nieder. Darin liegt der Reiz, sich mit ihm und seinen Stücken zu beschäftigen. “Die Komödie ist erfunden worden, um Fehler zu verbessern und schlechte Sitten lächerlich zu machen", umriss er einst die Funktion von Lustspielen. In der Tat halten die Figuren im “Impresario von Smyrna“ den Zuschauern damals - und bemerkenswerterweise auch heute noch - einen Spiegel vor.
Quelle: N.Klinger
Als Komödie funktioniert die Kasseler Inszenierung jedoch nur bedingt, da manche Pointe heute eben doch arg klamaukig wirkt. Vielleicht hätten der Produktion Verfremdungen der Handlung oder der Figuren gutgetan und diese für mehr Spannung und Erheiterung gesorgt. So erntet das souverän aufspielende Ensemble, wobei die drei konkurrierenden Sopranistinnen Eva-Maria Keller, Birte Leest und Caroline Dietrich besonders zu gefallen wissen, am Ende freundlichen Applaus vom Publikum im voll besetzten Staatstheater.

weitere Informationen: https://www.staatstheater-kassel.de

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