Lifestyle

Frisch gepresste Bio-Öle aus Berlin

“Ölherstellung hat etwas Meditativesï


(Quelle: M.Graß)
GDN - Seit etwa einem Jahr werden in einer kleinen Ölmanufaktur in Berlin-Charlottenburg, frische Speiseöle, in Bioqualität, hergestellt und vermarktet. Geschäftsführer Oliver Obst demonstrierte mir, wie im “Ölwerk“, in geradezu liebevoller Handarbeit, hochwertige und ausdrucksstarke Öle entstehen.
Das Herz des Ölwerks
Quelle: M.Graß
Außerordentlich langsam tröpfelt die grünliche Flüssigkeit aus der Ölpresse und wird in einem, darunter stehenden, weißen Eimer aufgefangen. Nach und nach steigt mir der aromatische Duft des vor meinen Augen entstehenden Rosmarin-Sesamöls in die Nase. Oliver Obst, der Geschäftsführer des Berliner “Ölwerks“, kontrolliert die, durch die Reibung innerhalb der Presse, entstandene Temperatur. Diese dürfe nicht zu sehr steigen, da sonst Aromen und Vitamine verloren gingen, erklärt mir der Unternehmer. Mir wird augenblicklich klar: Diese Arbeit erfordert zweifellos Geduld.
Bis in das 19.Jahrhundert waren Ölmühlen, die ihre Produkte regional vermarkteten, allgegenwärtig, bis die Industrialisierung und ihre Folgen, dieser Tradition weitestgehend ein Ende setzten. “Als ich die Idee hatte, eigenes Speiseöl zu produzieren, gab es in ganz Berlin keine Ölmühle.“ Dieses hat sich seit dem April 2013 geändert, als Oliver Obst, zusammen mit seinem Geschäftspartner Henning Borchers, das “Ölwerk“ eröffnete. Der Wunsch nach Selbstständigkeit sei über die Jahre gewachsen. “Ich wollte es einfach auf meine Art machen.“
Erneut kontrolliert Herr Obst die entstandene Temperatur. Auf dem Boden des weißen Eimers hat sich mittlerweile eine etwa fingerbreite Menge Öl angesammelt. Mit einem winzigen Probierschälchen schöpft der Ölmüller ein wenig Flüssigkeit aus dem Eimer, begutachtet die Farbe, nimmt prüfend den Duft wahr, probiert einen kleinen Schluck und nickt zufrieden. “Man muss das alles schon sehr sorgfältig machen. Für mich hat Ölherstellung geradezu etwas Meditatives.“ Herr Obst lächelt gelassen. Man spürt, dass sich hier jemand seiner Arbeit gewissenhaft und gerne widmet.
Quelle: M.Graß
Die Produkte, die in den überschaubaren Räumlichkeiten in Charlottenburg entstehen, haben wenig zu tun, mit den handelsüblichen, raffinierten Speiseölen, die einen großen Teil unserer Supermarktregale füllen. Im “Ölwerk“ gelangen ausschließlich Kerne und Samen aus biologischem Anbau in die Mühle. Diese werden, mit viel Aufmerksamkeit, kaltgepresst und frisch in die jeweiligen Flaschen abgefüllt. Bei den Endprodukten handelt es sich um hochwertige, natürliche Öle, ohne irgendwelche Zusatzstoffe und mit unverfälschtem Geschmack.
Herr Obst überwacht den Produktionsprozess
Quelle: M.Graß
Bei der sogenannten Kaltpressung werden die verwendeten Kerne und Samen nicht mit Wärme vorbehandelt und - im Gegensatz zur Heißpressung - auch nicht mithilfe chemischer Zusatzstoffe weiterverarbeitet. Die geringe Reibungswärme, die sich während des Pressens entwickelt, ist nötig, damit überhaupt Öl entsteht. Auch wenn der Gesetzgeber durchaus mehr Wärme zulässt, strebt Herr Obst eine Temperatur von etwa 40° an. Durch die genaue Justierung der Ölpresse, zum Beispiel durch die Auswahl der Pressdüse, kann die Reibungswärme beeinflusst werden. Das erklärt auch die häufigen Temperaturkontrollen, die Herr Obst vornimmt. “Das ist jedes mal ein Herantasten. Da spielt auch das Wetter, also die Außentemperatur, eine entscheidende Rolle.“
Der Vorteil dieser Art der Pressung besteht darin, dass die Inhaltsstoffe der verwendeten Produkte erhalten bleiben, was wiederum den Geschmack, Geruch, aber auch den Vitamingehalt positiv beeinflusst. Im Vergleich dazu sind die industriell gefertigten Pflanzenöle geschmacksneutral. Der Nachteil des Kaltpressens ist, dass mit dieser Methode nicht die gleiche Menge Öl erzeugt werden kann, wie bei der Heißpressung. “Ich habe etwa 20-30% weniger Ausbeute, durch dieses schonende Verfahren“, erklärt mir Herr Obst.
Um einen Liter Aprikosenkernöl herzustellen, werden etwa 2-3 kg Kerne benötigt, bei Schwarzkümmel sind es sogar fast 5kg. Gepresst wird, ganz nach Bedarf, etwa zwei- bis dreimal in der Woche, denn das Öl sollte nicht zu lange gelagert werden und stets frisch zum Kunden gelangen. Wobei - je nach verwendetem Rohstoff - etwa 10 bis 20 Liter pro Tag produziert werden können. Diese Art der Fertigung hat logischerweise auch ihren Preis und kann in der Hinsicht nicht mit den industriell gefertigten Supermarktölen konkurrieren.
Wobei die derzeitigen Verkaufspreise für Speiseöl ohnehin misstrauisch machen sollten. Wie mir Herr Obst berichtet, liegen bereits die Unkosten für die gewissenhafte Produktion von einem Liter Olivenöl bei mindestens 8 Euro. Addiert man den Verdienst des Produzenten sowie des Händlers hinzu, sind die gängigen Supermarktpreise eigentlich nur durch kriminelle Energien erklärbar. Der Journalist Tom Mueller kommt nach jahrelangen Recherchen in seinem Buch “Extra Vergine: Die erhabene und skandalöse Welt des Olivenöls“ zu dem Schluss, dass “in vielen Gebieten die Produktionskette zu einem einzigen großen Verbrechernetz“ verkommen sei.
Der Verbraucher sollte sich ebenso darüber bewusst sein, dass bei der industriellen Herstellung, die Öle oftmals mit giftigen Lösungsmitteln versetzt werden, die anschließend wieder abgepumpt werden müssen, bzw. durch Erhitzung des Öls entweichen. Beim anschließenden Raffinieren werden dem Öl erneut Zusatzstoffe wie Phosphorsäure und Natronlauge beigemengt. Nach der Filterung bleibt oftmals ein geschmacklich ausdrucksloses und gesundheitlich fragwürdiges Produkt zurück.
Im Gegensatz dazu wird das bei der Pressung gewonnene Öl im “Ölwerk“ nicht weiterbehandelt. Entscheidend für die Qualität seiner Öle seien, laut Herrn Obst, in erster Linie die verwendeten Nüsse und Samen, die von allerbester Qualität seien müssten, weshalb ausschließlich biologisch angebaute Rohstoffe Verwendung fänden. “Die Rohstoffe sind entscheidend. Wenn die von minderer Qualität sind, kann das Endprodukt nicht von guter Qualität sein. Bei der Verarbeitung kann man im Grunde nichts mehr retten“¦ aber dafür eine ganze Menge vermasseln.“ Kaum ausgesprochen, wendet sich Herr Obst auch schon wieder seiner Ölpresse zu, um einen kurzen, kontrollierenden Blick auf das langsam austretende Öl - und natürlich die Temperatur - zu werfen.
Seine Zutaten bezieht der Unternehmer aus aller Welt. Zur Zeit erhalte er beispielsweise großartige Ware aus Vietnam, wo sich Produzenten im Bio-Bereich erfolgreich einen Namen machen würden. Die Situation in Deutschland sei leider “ungeheuer schwierig“. Herr Obst bedauert, dass regionale Erzeugnisse, die er selbstverständlich bevorzugen würde, kaum zu bekommen seien. Neben den offenkundigen klimatischen Gründen sei Deutschland, was den Bio-Anbau beträfe, im Vergleich zu anderen Ländern, weit zurück. In der Tat wurden im Jahr 2012 lediglich 6,2% der gesamten landwirtschaftlichen Nutzflächen ökologisch bewirtschaftet. Andere europäische Länder wie Estland, Österreich, Schweden oder die Schweiz erreichen die zwei- bis dreifache Prozentzahl.
Im “Ölwerk“ werden derzeit achtzehn unterschiedliche Öle angeboten, von denen dreizehn in Charlottenburg produziert werden. Manche Sorten lassen sich aus verschiedensten Gründen nicht in Deutschland herstellen. Oliven müssen zum Beispiel wenige Stunden nach der Ernte verarbeitet werden. Arganöl wird aufgrund von Handelsbestimmungen ausschließlich in Marokko, wo der Arganbaum beheimatet ist, produziert und das “Steirische Kürbiskernöl“ stammt selbstverständlich aus der Steiermark. In Zukunft möchte Herr Obst die Produktpalette noch um einige Kräuteröle erweitern und sich an der Verarbeitung von Senf und Mohn versuchen.
Quelle: M.Graß
Das nussige Leinöl, das Aprikosenkernöl, das geschmacklich ein wenig an Marzipan und Blutorange erinnert, das überaus gesunde und leider derzeit noch wenig gebräuchliche Hanföl, mit dem sich wunderbares Salatdressing zubereiten lässt oder auch das Kokosnussöl, das wegen seiner Zusammensetzung ideal zum Braten und Frittieren ist, aber sogar als veganer Brotaufstrich verwendet werden kann, zählen zu den Verkaufsschlagern des “Ölwerks“. Nach einem langen und ausführlichen Gespräch mit Herrn Obst, verlasse ich die Manufaktur, wo im Produktionsraum noch immer das Rosmarin-Sesamöl langsam in den weißen Eimer rinnt. Die Herstellung eines hochwertigen Öls braucht eben seine Zeit “¦ und Herr Obst nimmt sie sich.

weitere Informationen: https://www.oelwerk.de

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