Kultur

“Cafe Müller“ & “Das Frühlingsopfer“ im Wuppertaler Opernhaus

Pina Bausch-Klassiker wiederbelebt


(Quelle: J. Paulo Pimenta)
GDN - Im Rahmen der Jubiläumsspielzeit “Pina 40“ präsentierte das Tanztheater Pina Bausch am vergangenen Wochenende mit “Café Müller“ und “Das Frühlingsopfer“ zwei Klassiker des modernen Tanzes und begeisterte das Publikum im ausverkauften Wuppertaler Opernhaus.
“Café Müller“ und “Das Frühlingsopfer“, beide in den 1970er Jahren uraufgeführt, zählen zu den am häufigsten aufgeführten Stücken von Pina Bausch. Beide Werke nehmen einen Sonderstatus im Gesamtwerk der legendären Choreografin ein, denn in “Café Müller“ war Pina Bausch selbst als Tänzerin zu erleben und “Das Frühlingsopfer“, zu Strawinskys Komposition “Le Sacre du Printemps“, stellt Bauschs letztes traditionell durchchoreografiertes Stück dar. Im Vergleich zu dem, was in den nächsten Jahren folgen sollte, ist diese Arbeit geradezu konventionell, mit den gewohnten Sehgewohnheiten des damaligen Ballettpublikums brach sie dennoch.
"Café Müller"
Quelle: J. Paulo Pimenta
“Café Müller“ kam am 20.Mai 1978 an gleicher Stelle, im Wuppertaler Opernhaus, zur Uraufführung. Es folgten Tourneen durch die gesamte Welt, darunter Südamerika, Jerusalem, Japan sowie europäische Metropolen. Noch im vergangenen Jahr kam es zu Aufführungen in Göteborg und Taipeh. Im Gegensatz zu den Stücken, die in den folgenden Jahren entstehen sollten, findet bei “Café Müller“ noch keine Zerstückelung von Musik und Szenen statt, wie sie später für Pina Bauschs Stücke typisch werden sollten. Auch die Verwendung von Mitteln wie Pantomime, Sprache und Akrobatik ist hier noch nicht zu sehen.
Zu der melancholischen Musik von Henry Purcell taucht auf der Bühne ein trostloser, verlassener Caféraum auf, durch dessen leere Stühle und Tische hindurch sich die Tänzer bewegen. Es geht um Einsamkeit, Entfremdung und das Gefühl verloren zu sein. Hierfür werden eindringliche und poetische Bilder gefunden. Bewegungsabläufe wiederholen sich und werden dadurch noch quälender. Ein Tänzer arrangiert ein Paar, doch deren Arme erschlaffen und gleiten auseinander. Liebe und Geborgenheit wird vergeblich gesucht.
Dominique Mercy
Quelle: Mario Graß
Das ohnehin schon recht schwermütige Stück, erhält noch zusätzliche Melancholie, durch die Tatsache, dass Pina Bausch bis in das neue Jahrtausend hinein als Tänzerin in dem Stück auftauchte. Selbstverständlich beherrschen sämtliche Tänzerinnen, die ihr gefolgt sind, diese Rolle perfekt, aber dennoch - wer die ursprüngliche Besetzung kennt, sieht wohl unweigerlich vor dem inneren Auge Pina Bausch, wie sie mit geschlossenen Augen, schlafwandlerisch durch den Caféraum irrt, hilflos ihre Arme ausstreckt, gegen Wände prallt, sich Wege sucht und doch nie ankommt. Von der Besetzung der Uraufführung ist einzig Dominique Mercy übrig geblieben, der als 64jähriger noch einmal seine Rolle verkörpert.
"Das Frühlingsopfer"
Quelle: Ulli Weiss
"Das Frühlingsopfer", uraufgeführt im Dezember 1975, gilt als Bauschs letztes traditionell durchchoreografiertes Stück. Erst in der folgenden Produktion brach sie endgültig mit den hergebrachten Tanzformen. Fortan sollte es keine Vorgaben, hinsichtlich Handlung oder Musik, geben. Was jedoch keineswegs bedeutet, dass zur damaligen Zeit, das “Frühlingsopfer“ als herkömmliche Produktion anzusehen war.
Das Stück basiert auf der dritten der drei großen Ballettmusiken, die Igor Strawinsky vor dem Ersten Weltkrieg komponiert hat. Aufgrund seiner außergewöhnlichen rhythmischen Strukturen und seiner zahlreichen Dissonanzen erregte es beim Publikum überwiegend Missfallen. Ähnlich erging es auch Pina Bausch bei der Uraufführung 1975, denn der Anblick von Tänzern, die von einem Gemisch aus Schweiß und Erde bedeckt waren, als sie sich zum Schlussapplaus verbeugten, hat damals noch verstört. So stellte man sich keine Ballerina vor.
“Das Frühlingsopfer“ ist ein Stück, das den Tänzern alles abverlangt. Der Bühnenboden ist mit dunklem Torf bedeckt. Den gewaltigen rhythmischen Energien von Strawinskys Musik, hat Pina Bausch eine ebenso vor Kraft strotzende Form, zu geben verstanden. Die Wucht des Stückes, die Intensität und Kraft ist auch heute, nach fast 40 Jahren, noch immer ungeheuerlich. Einen besonderen Glanz erhält der Abend durch das Mitwirken der Wuppertaler Symphoniker, unter der Leitung von Toshiyuki Kamioka. Mit frenetischem Jubel, der im Opernhaus ertönt, nachdem der rauschhafte Opfertanz beendet ist, werden die Tänzerinnen und Tänzer sowie die Musiker, zurecht minutenlang gefeiert.
Es ist faszinierend und berührend in die Vergangenheit einzutauchen und zu den Ursprüngen des modernen Tanztheaters zurückzukehren, denn auch viele Jahre nach den jeweiligen Uraufführungen, zählen “Café Müller“ und “Das Frühlingsopfer“ noch immer zum besten, was dieses Genre zu bieten hat. Bis zum 25.Mai erfolgen, mit den beiden Stücken “Viktor“ und “Ahnen“, noch weitere Aufführungen im Rahmen des Jubiläumsprogramms, anlässlich des 40jährigen Bestehens des “Tanztheaters Pina Bausch“.
Wie sich dieses in der Zukunft entwickeln wird, darf mit Spannung verfolgt werden. Jüngst hat sich der Verein “Freunde und Förderer Internationales Tanzzentrum Pina Bausch“ gegründet, der es sich unter anderem zur Aufgabe machen will, die Bundesregierung an ihr Versprechen zu erinnern, das Internationale Tanzzentrum Pina Bausch zu unterstützen, denn derzeit wird dieses alleine durch die Stadt Wuppertal und das Land Nordrhein-Westfalen finanziert, während sich der Bund bislang nicht beteiligt. Dieses soll sich jedoch, laut aktuellem Koalitionsvertrag, ändern. Es geht letztlich darum, die Stücke Pina Bauschs in Wuppertal und weltweit für die Öffentlichkeit zu erhalten, aber auch neue Choreografien in Wuppertal zu realisieren.

weitere Informationen: https://www.pina40.de

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