Kultur

Volker Lechtenbrink in “Der Mentor“

Unterhaltsame Komödie in Berlin


(Quelle: Oliver Fantitsch)
(Quelle: Oliver Fantitsch)
GDN - Bis zum 13. Juli ist Volker Lechtenbrink als “der Mentor“ in Daniel Kehlmanns gleichnamigem Stück, in der Berliner Komödie am Kurfürstendamm, zu erleben. Vor allem seiner Bühnenpräsenz ist es zu verdanken, dass die Zuschauer dabei einen unterhaltsamen Theaterabend erleben.
“Mit dem Wetter haben wir Glück.“ “Wetter ist ein überschätztes Phänomen“, lautet die ruppige Antwort von Benjamin Rubin (Volker Lechtenbrink) auf die Begrüßungsfloskel seines Gastgebers, der leicht verunsichert fortfährt: “Ich hoffe sie hatten eine gute Reise.“ “Es gibt keine guten Reisen.“ Gleich mit seinen ersten beiden Sätzen macht Benjamin Rubin deutlich, dass den Protagonisten, die die kommenden fünf Tage mit dem alternden Dramatiker verbringen sollen, keine bequeme Zeit bevorsteht.
Die beiden älteren Damen, die neben mir in der Berliner Komödie am Kurfürstendamm ihre Plätze eingenommen haben, lachen herzlich über diese harschen Antworten. Beide Frauen sind überaus geschmackvoll gekleidet. Die schwarzen Schuhe glänzen und ihre schneeweißen Haare wirken, als hätten sie im Verlaufe des Nachmittags noch gemeinsam den Friseur aufgesucht. Unmittelbar vor der Aufführung sind wir kurz ins Gespräch gekommen und sie haben mir erzählt, dass sie einmal im Monat ins Theater gehen würden, weil das “mal etwas anderes sei“. Volker Lechtenbrink hätten sie dabei aber bislang noch nicht gesehen.
Lechtenbrink verkörpert Benjamin Rubin, einen 65 Jahre alten Dramatiker, dessen Theaterstück “Der lange Weg“ ein enormer, aber bereits lange zurückliegender, Erfolg war. Martin Wegner (Andreas Christ) gilt hingegen als aufstrebender Hoffnungsträger der Theaterwelt. Eine Kulturstiftung führt die beiden zusammen. Rubin soll als Mentor fungieren und Wegner bei seinem neuen Projekt zur Seite stehen. Einigkeit herrscht zwischen den Literaten jedoch einzig hinsichtlich der Motivation, die diesem Treffen zugrunde liegt: Beide werden für ihre Teilnahme großzügig entlohnt. Darüber hinaus scheint es wenig Verbindendes zwischen den ungleichen Schriftstellern zu geben.
Quelle: Oliver Fantitsch
Über das Theaterstück des jungen Autors, dem er mir Rat zur Seite stehen soll, fällt Rubin ein Urteil, das vernichtender kaum sein könnte: “Schlecht, tot, misslungen, poetisches Geschwurbel!“ Der arrangierte Gedankenaustausch eskaliert. Persönliche Eigenheiten, Eitelkeiten, Stolz, der zu Größenwahn anschwillt, aber auch Selbstzweifel und Angst vor der eigenen Bedeutungslosigkeit, stehen einer fruchtbaren Diskussion vom ersten Moment an im Weg.
Der Jungdramatiker Martin Wegner (Andreas Christ)
Quelle: Oliver Fantitsch
Hinzu kommen gänzlich unterschiedliche Literaturvorstellungen. Rubin bevorzugt einen klaren, realistischen Stil, während sein Gegenüber eigentlich selbst nicht so recht weiß, worum es in seinem neuen Stück eigentlich geht. Er möchte seine Figuren und Themen in der Schwebe der Mehrdeutigkeit halten und sich nicht auf eine klare Deutung festlegen lassen. Gnadenlos und wohl auch treffend bringt es Rubin auf den Punkt: “Reiner Blödsinn macht noch kein Geheimnis."
Das Stück “Der Mentor“ stammt aus der Feder des Bestsellerautors Daniel Kehlmann, der mit seinem Roman “Die Vermessung der Welt“ einen der größten deutschsprachigen Bucherfolge der letzten Jahrzehnte feiern konnte. Kehlmann hat sich in der Vergangenheit in verschiedener Form - verbal in seiner Rede bei den Salzburger Festspielen und nonverbal beim zornigen Verlassen der deutschen Erstaufführung seines eigenen Stückes in Frankfurt - über seine kritische Einstellung zum deutschen Regietheater geäußert.
Kehlmann fordert Werktreue und da diese bei der Frankfurter Premiere nicht gegeben gewesen sei, man stattdessen auf alberne Art und Weise in die Dialoge eingegriffen habe und er sich am Ende nicht für ein Werk vor dem Publikum verbeugen wollte, das nicht mehr sein eigenes gewesen sei, habe er die Vorstellung vorzeitig verlassen. Wohl nicht zuletzt weil Folke Braband, verantwortlicher Regisseur in Berlin, die Textvorlage werkgetreu inszeniert, zeigte sich Kehlmann mit der Produktion am Kurfürstendamm zufrieden.
Im Zentrum der Inszenierung steht Volker Lechtenbrink als Benjamin Rubin, der die interessanteste und reizvollste Figur des Stückes ist. Lechtenbrink selbst beschreibt Rubin als einen ironisch-sarkastischen, schroffen und klugen Menschen, der seinem früheren Erfolg nachhängt, dieses jedoch mit reichlich Selbstironie, noch immer kämpferisch und niemals weinerlich.
Doch es ist nicht nur die Figur, es ist auch Lechtenbrinks beachtliche Bühnenpräsenz, mit der er seine Mitspieler in den Schatten stellt, die ihn zum Mittelpunkt des Stücks werden lässt, wobei er die Aufmerksamkeit der Zuschauer nicht ausschließlich mit seiner markanten, sonoren Stimme auf sich zieht. Seine Mimik und Gestik sowie sein perfektes Timing, mit dem er gekonnt die geforderten Pointen setzt, zeigt über den gesamten Abend, dass hier ein erfahrener Theaterschauspieler am Werk ist. Er sei “durch und durch Theatermensch“, äußerte Lechtenbrink. Er habe schon als Kind bei Familienfeiern die Anwesenden mit Kasperleaufführungen unterhalten.
Theater im engeren Sinne habe er zum ersten Mal mit zehn Jahren gespielt, als er im Weihnachtsmärchen des Deutschen Schauspielhauses auf der Bühne stand. Damals habe Gustav Gründgens ihn zu sich gerufen, für seine Darstellung gelobt und dem Jungen durchaus Chancen eingeräumt, die Schauspielerei später einmal beruflich auszuüben. Die Prognose hat sich bewahrheitet, weshalb Volker Lechtenbrink in diesem Jahr sowohl sein 60jähriges Bühnenjubiläum, als auch seinen 70.Geburtstag feiern darf.
“Gib die Dinge der Jugend mit Grazie auf!“, hat der Schauspieler, Sänger, Regisseur, Intendant und Autor seine Autobiografie betitelt. Es sei für ihn ganz wichtig, im Alter nicht albern zu wirken. So werde er schon allein deshalb nicht mehr an Promi-Fußballspielen teilnehmen, um dem in der Folge zwangsläufig nötigen Sauerstoffzelt zu entkommen und auch nicht mehr in Sportwagen steigen, aus denen er aufgrund mangelnder Beweglichkeit nicht mehr schmerzfrei aussteigen könne. Auf der Bühne zeigt Lechtenbrink, dass zunehmendes Alter nicht ausschließlich mit Verlust einhergeht, sondern auch eine Zunahme an Erfahrung, Ausdruck und Souveränität bedeuten kann.
Rebecca v. Mitzlaff, V.Lechtenbrink, Oliver Dupont
Quelle: Oliver Fantitsch
Darüber hinaus bekommt das Publikum in Berlin eine typische Boulevardkomödie, mit einigen gelungenen, wenn auch wenig überraschenden Pointen, geboten. Es ist kein denkwürdiger Theaterabend, dazu ist die Inszenierung zu brav und die kritischen Anspielungen auf den Kulturbetrieb zu sanft und klischeehaft. Bis zum 13. Juli, dem Tag des Finales der Fußball WM in Brasilien, ist “der Mentor“ in der Komödie am Kurfürstendamm zu sehen. Die Tatsache, dass ein Großteil der Aufführungen in die WM-Zeit fällt, hat den Fußballfan Lechtenbrink zunächst beunruhigt. Beim Studium des Spielplanes habe er dann aber erleichtert festgestellt, dass er aufgrund der Zeitverschiebung die allermeisten Spiele, so auch das Finale, verfolgen können wird.
Meinen beiden Sitznachbarinnen hat der Abend gefallen. Sie hätten viel gelacht und “der Lechtenbrink war ja toll“, äußern sie auf meine Nachfrage und wiederholen noch einmal ihre Motivation: “Es ist eben auch mal was anderes.“ Eine empfehlenswerte Alternative für ein oftmals fades und substanzloses Fernsehprogramm, mit dem sich Millionen Zuschauer allabendlich konfrontiert sehen - um es mit Benjamin Rubin zu sagen: “Nennen sie mir irgendetwas von Wert, das jemals in einem Zimmer mit Fernseher erdacht wurde“ - ist “Der Mentor“ allemal.
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