Kultur

“Masurca Fogo“ (Pina Bausch) im Wuppertaler Opernhaus

Das Glück liegt in den kleinen Dingen


(Quelle: Oliver Look)
(Quelle: Oliver Look)
GDN - Das weltberühmte Ensemble des “Tanztheaters Pina Bausch“ gastiert derzeit in seiner Heimatstadt Wuppertal, um dort “Masurca Fogo“ zu präsentieren. Das äußerst heitere Stück nimmt die Zuschauer mit auf eine betörende Phantasiereise in ferne, sonnige Regionen.
Mit einem mitreißenden Solo, bei dem ein Tänzer mit seinen Bewegungen pure Lebensfreude ausstrahlt und das Dasein geradezu zu feiern scheint, beginnt der Abend im Wuppertaler Opernhaus. Im weiteren Verlauf des Stückes ertönen Fado-, Tango- und Sambaklänge, die die Tänzerinnen und Tänzer sowie das Publikum in ferne, südliche Regionen entführen. “Masurca Fogo“ ist ein äußerst sinnliches Stück, bei dem der Tanz stärker im Zentrum steht, als bei vielen anderen Choreografien von Pina Bausch, wenngleich auch andere Elemente wie Akrobatik oder Sprache nicht gänzlich fehlen.
Es wird viel gelacht an diesem Abend, etwa wenn ein lebendiges und äußerst eigenständiges Huhn auf der Bühne mit Melonen gefüttert und anschließend mit der tatkräftigen Hilfe einer Zuschauerin wieder eingefangen wird. Doch auch das in den Stücken von Pina Bausch wiederkehrende Thema Beziehungen und Partnerschaft, zieht sich, wenn auch etwas augenzwinkernder als gewohnt, durch den Abend. Frauen werden begehrt und umworben, Partner loten ihre Positionen aus und potenzielle Paare haben Schwierigkeiten zueinander zu finden. Er ist zu klein um sie zu küssen, sie entzieht sich seiner Zärtlichkeit, ein tanzendes Paar schaut in den Fernseher statt sich gegenseitig in die Augen.
Im Hintergrund der von Peter Pabst entworfenen Bühne türmt sich zwischen zwei weißen Wänden ein erstarrter Lava-Felsen. Wie für viele gelungene Bühnenbilder gilt auch für dieses, dass gerade mit Reduktion eine große Wirkung erzielt werden kann. Der starre, graue Felsblock kontrastiert ausgezeichnet die Bewegungen der Tänzerinnen und Tänzer sowie die farbenfrohen Videosequenzen.
Peter Pabst hat bei zahlreichen seiner Bühnenbilder versucht ein Stück Natur auf die Bühne zu bringen. Pina Bausch äußerte sich einmal treffend zum Thema Bühnenbilder: “Wenn man etwas, das normalerweise draußen ist, nach innen in ein Theater holt, dann öffnet das den Blick. Plötzlich sieht man Dinge ganz neu - wie zum allerersten Mal“¦ Sie beschäftigen unsere Sinne und führen dazu, dass man aufhört zu denken und anfängt zu spüren.“
Im Laufe ihrer Karriere entfaltete Pina Bausch mit ihrem Ensemble eine beachtliche Reistätigkeit, die sich auf rund 40 Länder erstreckte. Bei manch einem Aufenthalt ließ sie sich von ihrer Umgebung zu neuen Arbeiten inspirieren, so entstand “Masurca Fogo“ 1998 in Lissabon und man ahnt, dass die Choreografin von der südlichen Sonne, den Tänzen, der Natur und der südeuropäischen Lebensfreude beeindruckt war. Mit “Masurca Fogo“ scheint Pina Bausch die Welt geradezu glücklich zu umarmen. Die tiefe Verzweiflung, die fortwährende Einsamkeit und emotionale Brutalität ihrer früheren Stücke fehlen.
In einer wunderschönen, poetischen Solotanzeinlage scheinen die Wellen des Ozeans, die sich in einer Videosequenz über die gesamte Bühne ausdehnen, die Tänzerin zu verschlingen. Derartige Filmprojektionen illustrieren zahlreiche Szenen des Abends. Sie führen die Tänzer und die Phantasie der Zuschauer zu exotischen Plätzen, in den südamerikanischen Regenwald, zum Ozean, zu einem sonnigen Strand oder in eine Gruppe von Flamingos.
In einer besonders originellen und gelungenen Szene errichtet das gesamte Ensemble vor den Augen der Zuschauer eine kleine, spartanische Holzhütte, um darin umgehend eine ausgelassene Party und das Leben zu feiern. Zum Abschluss bedecken riesige Blütenprojektionen die am Boden liegenden Paare, während “All I need is the air that I breathe“ aus den Lautsprechern erklingt. Um Glück zu finden, benötigt der Mensch keinen Reichtum und er muss auch keinen großen Aufwand betreiben - das Glück liegt in den kleinen, scheinbar unbedeutenden Dingen des Lebens, in der Natur, in unserem Gegenüber.
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