Kultur

Neue Choreografien des Tanztheaters Wuppertal

“¦als ob ein Fenster geöffnet wurde


(Quelle: Detlef Erler )
(Quelle: Oliver Look)
GDN - Am Freitagabend feierte im Wuppertaler Opernhaus ein dreiteiliger Tanzabend Premiere, dessen Besonderheit darin lag, dass es sich um die ersten neuen Stücke handelte, die seit dem Tod der legendären Choreografin Pina Bausch entstanden sind.
Sechs Jahre nach dem Tod der stilprägenden Choreografin Pina Bausch brachte ihre Compagnie am Freitagabend erstmals neu entwickelte Stücke auf die Bühne. Die Spannung und die Erwartungen an den Abend waren entsprechen hoch. Vier internationale Gastchoreografen hatten in den vergangenen Wochen, gemeinsam mit dem mittlerweile deutlich verjüngten Ensemble - etwa ein Drittel der beteiligten Tänzerinnen und Tänzer haben nie mit Pina Bausch zusammengearbeitet -, drei Stücke entwickelt, mit denen der Schritt in die Zukunft gewagt werden soll.
Quelle: Oliver Look
Der Abend wurde eröffnet mit der Choreografie von Theo Clinkard, der sich insbesondere für das kommunikative Potenzial des Körpers und für das Zusammenwirken der Tänzerinnen und Tänzer interessiert. Entstanden ist ein sehr physisches Stück, bei dem sich die Akteure auf der Bühne in ständiger Bewegung befinden und über weite Strecken als Gruppe agieren. Besonders faszinierend war es zu beobachten, wie sensibel die Tänzer sich gegenseitig wahrnehmen, aufeinander eingehen und reagieren, dabei aber dennoch jeder Einzelne den Raum erhält, seine Individualität und sein Ausdruckspotenzial einzubringen.
Quelle: Detlef Erler
Das zweite Stück des Abends, choreografiert von Cecilia Bengolea und François Chaignaux, eröffnet mit mitreißenden Solos und Duetten zu wummernden, jamaikanischen Dancehallbeats, die vom Premierenpublikum mit Szenenapplaus bedacht wurden. Angesprochen auf die Arbeit an der neuen Produktion äußerte das langjährige Ensemblemitglied Andrey Berezin im Vorfeld: “Es ist ein Gefühl als ob ein Fenster geöffnet wurde und frische Luft hinein kommt.“
Breanna O´Mara
Quelle: Bo Lahola
Entsprechend wirkt auch das kraftvolle Stück, bei dem Neues gewagt wird. Die Tänzerinnen und Tänzer müssen nicht nur in ihrem eigentlichen Metier, sondern auch gesanglich überzeugen, was einige von ihnen als große Herausforderung empfunden haben, ihnen jedoch vollauf gelingt. Das Stück wurde an diesem Abend mit dem größten Applaus bedacht und selbst in der Pause waren im Foyer noch die von einzelnen Zuschauern nachgesummten Melodien zu hören.
Mit einer Choreografie von Tim Etchells fand der Abend sein Ende. Der in England lebende Künstler und Schriftsteller brachte als Ausgangspunkt einige Textfragmente zu den ersten Proben mit, war aber laut eigener Aussage “offen für das, was im Proberaum passiert.“ Entstanden ist eine Choreografie, die an diesem Abend am stärksten an die Arbeiten von Pina Bausch erinnert - ein theatralisches, weniger physisches und tänzerisches Stück, das in epischer Erzählweise zahlreiche komische, teils groteske Momente, bietet.
Quelle: Detlef Erler
Die Tänzerinnen und Tänzer balancieren Plastikbecher, erfreuen sich an kindlichen Wettbewerben, grimassieren oder wiederholen minutenlang in jeder erdenklichen Ton- und Stimmungslage die Worte “Thank you“. Bemerkenswert, dass gerade dieses Stück, das den Sehgewohnheiten des Wuppertaler Publikums eigentlich am ehesten entsprochen haben dürfte, mit vergleichsweise zurückhaltendem Applaus aufgenommen wurde.
Julie Shanahan, seit nahezu drei Jahrzehnten Ensemblemitglied, bekannte im Vorfeld, dass sie bei der Erarbeitung des neuen Stückes oft an Pina gedacht habe, es für sie aber auch ausgesprochen spannend gewesen sei, zu erleben wie ein anderer Choreograf als Pina Bausch mit dem tänzerischen Angebot umgeht.
Das Publikum bekam im Opernhaus einen dreiteiligen Tanzabend geboten, dessen Stärke vor allem in der enormen tänzerischen Qualität der Beteiligten lag.
Lutz Förster
Quelle: Mario Graß
“Sind sie nicht toll“¦?“, fragte der künstlerische Leiter des Wuppertaler Tanztheaters Lutz Förster rhetorisch in der Pause. Ja - sie sind es. Darauf sowie auf die Reaktionen des Publikums, das offenkundig offen und bereit für Neues ist, kann die Wuppertaler Compagnie für die Zukunft bauen.
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