Kultur

Staatstheater Kassel stellt den Spielplan 2016/2017 vor

Vielversprechende und spannende Mischung


(Quelle: Mario Graß)
GDN - Thomas Bockelmann, Intendant des Staatstheaters Kassel, hat gemeinsam mit seinem künstlerischen Leitungsteam, den Spielplan der kommenden Saison vorgestellt. Dieser enthält eine interessante Zusammenstellung aus Klassikern, zeitgenössischen Stücken sowie Uraufführungen.
Während das Publikum noch zahlreichen Premieren der aktuellen Spielzeit entgegenblickt, wurde hinter den Kulissen des Staatstheaters Kassel bereits eifrig an der inhaltlichen Gestaltung der kommenden Saison gefeilt. Die künstlerische Leitung des Dreispartenhauses stellte im Rahmen einer Pressekonferenz die Planungen im Einzelnen vor. Intendant Thomas Bockelmann wies zunächst darauf hin, dass sich in dem Spielplan einige Bezüge zu Griechenland entdecken lassen, was eine durchaus beabsichtigte Verbindung zu der im Jahre 2017 stattfindenden Documenta, die unter dem Motto “Von Griechenland lernen“ steht, darstelle.
Noah Haidle, Schiller und Truman Capote im Schauspielhaus
Die Schauspielsparte eröffnet die Spielzeit am 23.September mit dem Stück “Götterspeise“ (Inszenierung: Thomas Bockelmann) von Noah Haidle. Es handelt sich bereits um die dritte Haidle-Inszenierung von Thomas Bockelmann in Kassel, was unzweifelhaft erkennen lässt, wie sehr der junge US-amerikanische Autor mit seinen vielschichtigen Texten, die stets zwischen Tragödie und Komödie, Realem und Absurdem pendeln, am Kasseler Staatstheater geschätzt wird.
Lediglich eine Woche darauf wird mit “Maji Maji Flava“ eine spannende Uraufführung zu erleben sein. Das deutsch-tansanische Projekt, eine Kooperation mit dem Flinn-Theater, setzt sich mit einem zerstörerischen, jedoch in deutschen Geschichtsbüchern nahezu ignorierten Kolonialkrieg, dem Maji Maji Krieg, auseinander. Auf der Bühne im tif (Theater im Fridericianum) werden dabei auch drei Schauspieler aus Afrika zu erleben sein.
Quelle: Mario Graß
Selbstverständlich dürfen aber auch Klassiker nicht im Spielplan fehlen und so steht mit “Die Räuber“ ein großes Werk von Friedrich Schiller auf dem Programm. Eine spannende Idee stellt das Vorhaben dar, die zwei Welten in Schillers Drama, die bewaffnete Rebellion in den Wäldern und die Intrige im Schloss, von zwei Regisseuren, Philipp Rosendahl und Markus Dietz, “gewissermaßen gegeneinander“ (Philipp Rosendahl) inszenieren zu lassen. Es werde keine gemeinsamen Proben geben, sondern jeder Regisseur werde sich mit einer der beiden Welten auseinandersetzen, um diese auf der Bühne des Schauspielhauses aufeinandertreffen zu lassen.
Zu einem Publikumsmagnet könnte sich Truman Capotes “Frühstück bei Tiffany“ entwickeln, das von der renommierten Regisseurin Anna Bergmann inszeniert werden wird. Die Geschichte von Holly Golightly dürfte den allermeisten sicherlich aus dem 1961 gedrehten US-amerikanischen Spielfilm mit Audrey Hepburn in der Hauptrolle bekannt sein, doch die Textvorlage gehe an vielen Stellen “weitaus weiter als die Verfilmung“ (Thomas Bockelmann).
Eine musikalische Weltreise
Das Musiktheater eröffnet die Spielzeit 2016/2017 am 24.September mit der Mozart-Oper “Die Hochzeit des Figaro“, verkündete Generalmusikdirektor Patrik Ringborg auf der Pressekonferenz und fügte lächelnd hinzu: “Besser kann man nicht anfangen.“
Im Oktober entführt das Staatstheater sein Publikum nach Spanien und präsentiert in der Alten Brüderkirche, in Kooperation mit den Kasseler Musiktagen, die Oper “Los Elementos“ von Antonio Literes unter der musikalischen Leitung des Barockspezialisten Jörg Halubek.
Quelle: Mario Graß
Auch im Musiktheater wird in der kommenden Spielzeit Friedrich Schiller eine wichtige Rolle spielen, denn die Verdi-Oper “Luisa Miller“ basiert auf dem Schillertext “Kabale und Liebe“ und stellt laut Dr. Ursula Benzing, Operndirektorin und Leitende Dramaturgin des Kasseler Musiktheaters, “ein Juwel unter den Verdiopern“ dar. Die musikalische Weltreise geht weiter und legt am 28.Januar einen Zwischenstopp im New York des frühen 20.Jahrhunderts ein. In Kooperation mit dem Staatstheater Braunschweig wird das Musical “Ragtime“ zu sehen sein.
In der Konzertreihe nimmt das Staatsorchester Kassel den eingangs erwähnten Griechenlandzusammenhang auf und gibt am Karfreitag 2017, unter der Leitung von Patrik Ringborg, ein Konzert unter dem Titel “Hellenische Trauer“.
Mit zwei neuen Programmen, darunter eine Weihnachtsshow unter dem Motto “Winter Wonderland“, wird, wie bereits in den vergangenen Spielzeiten, auch wieder Swing im Opernhaus zu hören sein.
Für Generalmusikdirektor Patrik Ringborg wird es die letzte Spielzeit in Kassel sein. Nach zehn Jahren in Nordhessen möchte sich der in Stockholm geborene Dirigent “in Richtung Heimat orientieren“. Intendant Thomas Bockelmann wies mit Recht darauf hin, dass das Kassler Musikleben Ringborg ungeheuer viel zu verdanken habe. So gehe beispielsweise auch das HNA-Open Air vor der Orangerie, eines der größten Klassik-Events Deutschlands, das jährlich mehr als 30.000 begeisterte Zuschauer anlockt und auch in diesem Jahr wieder stattfinden wird, auf die Idee des Schweden zurück.
Eine feste Größe im Kasseler Kulturleben: Das Tanztheater
Die Präsentation des Tanztheater-Spielplanes gestaltet sich, der Arbeitsweise dieses Genres entsprechend, besonders schwierig, da im Gegensatz zu den anderen Sparten, beim Tanztheater die Stücke erst in der Zukunft, im Verlaufe gemeinsamer Arbeit, entstehen werden. Gerade dieser Umstand macht diese Kunstform so spannend, denn noch weiß niemand, was genau in den Stücken der kommenden Spielzeit geschehen wird. Diese Tatsache, gepaart mit dem hochklassigen Kasseler Ensemble sowie der geschätzten künstlerischen Leitung von Johannes Wieland (Tanzdirektor) und Dr. Thorsten Teubl (Dramaturg), sorgten in der Vergangenheit erfreulicherweise dafür, dass sich das Tanztheater in Kassel zu einer festen Größe im Kulturleben der Stadt entwickelt hat.
Die erste Premiere der kommenden Spielzeit ist, unter dem Titel “Emoji“, für den 30. Oktober geplant. Das Kasseler Publikum darf sich dabei auf Annamari Keskinen und Evangelos Poulinas freuen, die beide langjährig als Tänzer des Kasseler Ensembles beeindruckt haben und nun als Choreografen für diese Produktion nach Kassel zurückkehren.
Unter dem Arbeitstitel “Marianengraben“ möchte Tanzdirektor Johannes Wieland mit einer neuen Choreografie das menschliche Miteinander erforschen und die Frage ins Zentrum rücken: Was macht uns überhaupt menschlich?
Bei einem weiteren Tanzabend wird es im April zu einer Zusammenarbeit zwischen dem Tanzensemble und dem Staatsorchester Kassel kommen.
Selbstverständlich wird auch in dieser Spielzeit nicht die reizvolle “Choreografische Werkstatt“, bei der sich Tänzerinnen und Tänzer des Staatstheaters Kassel mit eigenen choreografischen Werken dem Publikum vorstellen werden, fehlen.
Fragen nach Heimat und Identifikation im Kinder- und Jugendtheater
In der Sparte “Kinder- und Jugendtheater“ wird es in der kommenden Spielzeit zu personellen Veränderungen kommen. Mit dem Abschied von Dieter Klinge werden Thomas Hof (Leitung) und Philipp Rosendahl (leitender Regisseur) dessen Funktionen übernehmen. Mit spürbarem Engagement stellten die beiden ihre Pläne für die kommende Spielzeit vor, bei der die Themen “Heimat und Identifikation“ im Zentrum stehen sollen.
Das diesjährige Weihnachtsmärchen wird die jungen Theaterzuschauer in die Welt von Wichten, Gnomen und Wilddruden führen. Mit “Ronja Räubertochter“ steht “eine urige Parabel und ein großartiges Stück über Menschlichkeit“ (Philipp Rosendahl) auf dem Programm.
In dem Stück “Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute“ von Jens Raschke werden der Holocaust und seine Verbrechen aus einer ganz neuen, ungewöhnlichen Perspektive beleuchtet. In dem Stück schauen fiktive Tiere, die im “Zoologischen Garten Buchenwald“ leben, über den Zaun in das benachbarte Konzentrationslager. Das was sie dort erkennen und zunehmend, wenn auch auf eine naive Art und Weise, verstehen wirft unangenehme Fragen auf.
Quelle: Mario Graß
Zu einem spannenden Projekt dürfe sich die Produktion “Wer sind wir“ entwickeln, bei dem der Frage nachgespürt werden soll, was es ausmacht Deutscher zu sein. Worauf kann man als Deutscher stolz sein und was ist eigentlich “typisch deutsch“? Was bedeutet Heimat? Hierzu wird im Herbst 2016 ein Casting stattfinden, bei dem etwa zehn Jugendliche ausgewählt werden. Diese erhalten während einer etwa halbjährigen Probenzeit die Gelegenheit diesen Fragen nachzugehen und anschließend die Möglichkeit selbst auf der Bühne zu stehen und darzustellen, was sie bewegt.
Den künstlerisch Verantwortlichen ist ein abwechslungsreicher Spielplan gelungen, der sich aktuellen gesellschaftlichen Fragen stellt sowie spannende Ideen, Projekte und Kooperationen einschließt.
Der vollständige Spielplan für die Spielzeit 2016/2017 ist auf der Homepage des Staatstheaters (www.staatstheater-kassel.de) zu finden.

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